Sieben Spiele, sieben Punkte: Der VfL Wolfsburg steht in dieser Saison früh mit dem Rücken zur Wand. Die starke Offensive macht sich die Mannschaft mit schwacher Defensivarbeit zunichte.
Defensiv so schwach wie nie, offensiv war’s noch nie besser
Das Spiel gegen Werder Bremen (2:4) hat Wolfsburger Spieler wie Verantwortliche schwer getroffen. „So kannst du in der Bundesliga nicht auftreten“, analysierte Yannick Gerhardt, der in acht Jahren VfL schon viele Höhen und Tiefen mitgemacht hat, und fügte diese erschreckende Wahrnehmung hinzu: „Gefühlt hat jeder gemacht, was er wollte.“ Aus gemeinsam wurde einsam, elf Individuen auf dem Rasen, die nicht als Kollektiv auftraten. Und so stellte auch Trainer Ralph Hasenhüttl enttäuscht fest: „Wir haben uns vieles kaputt gemacht, was wir uns in den letzten Wochen aufgebaut haben.“ Mit welchem nachhaltigen Schaden?
Das werden die kommenden Wochen zeigen, schon das Spiel am Samstag (15.30 Uhr, LIVE bei kicker) beim FC St. Pauli dürfte Aufschluss darüber geben, ob die bislang schlechteste Saisonleistung gegen Werder Spuren hinterlassen hat. Wie gut ist Wolfsburg wirklich? Beherzte Auftritte zum Saisonstart gegen die Bayern (2:3) oder Leverkusen (3:4) führten zu der Überzeugung, dass dort eine Mentalitätstruppe zusammenwächst, die in der Lage ist, den Großen die Stirn zu bieten. (Pflicht-)Siege in Kiel (2:0) und Bochum (3:1), ein sofort funktionierender Neuzugang Mohammed Amoura, ein endlich zur Form findender Jonas Wind nährten die Hoffnung, dass Trainer Hasenhüttl die passenden Zutaten zusammenfügt für ein Team, das sich tatsächlich aus dem Mittelmaß der Liga hervorarbeiten kann.
16 Gegentore nach sieben Spielen – so viele wie noch nie
Hinten pfui, vorne hui – so lassen sich die bisherigen Auftritte der Niedersachsen zusammenfassen. Baustelle Abwehr: 16 Gegentore sind es bereits, seit dem Aufstieg 1997 hat Wolfsburg nach sieben Spieltagen noch nie so viele Tore kassiert. Bisheriger Negativrekord waren 15 Gegentreffer in der Saison 2001/2002. Und das, obwohl dem VfL mit Kamil Grabara als Nachfolger von Koen Casteels nach den ersten Eindrücken ein ausgezeichneter Fang gelang. Mit dem kicker-Notenschnitt von 2,79 hat der Pole den drittbesten der Liga.
„“Wir haben um Ärger gebettelt, und wir haben den Ärger bekommen.“ (VfL-Torwart Kamil Grabara nach dem 2:4 gegen Werder Bremen)
Trotzdem steht er in einer Schießbude, die bislang lediglich gegen Aufsteiger Kiel geschlossen hatte. „Ein Desaster“, schimpft der Torwart nach dem 2:4 gegen Bremen über die Teamleistung. „Viele Gegentore, die wir bekommen haben, sind nach individuellen Fehlern passiert. Wir haben um Ärger gebettelt, und wir haben den Ärger bekommen. Man bekommt, was man verdient. Und wir haben es verdient, das Spiel zu verlieren.“
Friedls Worte sollten eine Warnung sein
Erschreckend, wie viel Räume der VfL am Sonntag seinem Gegner bot, der die Wolfsburger Mannorientierung mit einfachsten Mitteln aushebelte und zu seinen Gunsten nutzte. Eine Warnung sollte es sein, wenn Bremens Marco Friedl so über den Gegner berichtet: „Es hat uns schon überrascht, dass wir so frei Fußball spielen konnten.“
Der VfL ist nicht ganz dicht, das ist, auch wenn es bislang schon gegen zahlreiche Topteams ging, offensichtlich. 16 Gegentore, der VfL lässt ligaweit die drittmeisten Chancen zu. „Man sieht“, sagte Hasenhüttl nach der Pleite gegen Bremen, „wie fragil die ganze Sache noch ist und dass wir noch nicht in der Lage sind, einen Rückschlag mal cool wegzustecken.“ Wie viel Zeit bleibt für die zwingend erforderliche Entwicklung, um nicht schon ganz früh das Saisonziel „Europa“ aus den Augen zu verlieren?
Mehr als 15 Tore in sieben Spielen erzielte der VfL noch nie
Hoffnung macht die Offensive. 15 Tore hat der VfL bereits erzielt, nur Leverkusen (18) und Bayern (24) sind hier besser. Das Ranking der Chancenverwertung wird sogar von Wolfsburg angeführt, 39,5 Prozent der herausgespielten Möglichkeiten wurden in einen Treffer umgemünzt. Amoura, Wind und Co. können eiskalt sein, Tiago Tomas hatte nun in zwei Spielen in Serie ein Erfolgserlebnis, Joakim Maehle traf gegen Bremen in Unterzahl. „Wir merken, dass wir viele Tore schießen können“, sagte Hasenhüttl nach dem 3:1 in Bochum und fügte mit Blick auf das ausgegebene Saisonziel hinzu: „Das ist europatauglich.“ Und in der Tat: Mehr als 15 Treffer nach sieben Partien hatte der VfL in der Bundesliga noch nie, 2009/2010 waren es ebenso viele.
Christiansen und die tiefen Sorgenfalten
Wie gut oder wie schwach ist Wolfsburg wirklich? Die fußballerischen Darbietungen sollen, so heißt es, für tiefe Sorgenfalten auf der Stirn des neuen Geschäftsführers Peter Christiansen sorgen. Öffentlich hält sich der Däne noch zurück mit klarer Kritik, bemängelte bislang lediglich die zu geringe Punktausbeute. Die der VfL, soll nicht große Unruhe entstehen, ausbauen sollte. Am besten mit einem Sieg bei Aufsteiger St. Pauli. Und vielleicht ja sogar zu null.