Er ist ein Künstler in der Spieleröffnung. Obwohl er lange Zeit als Rechtsfuß auf der linken Innenverteidigerposition aufbauen musste. Doch sein Wechsel nach rechts hat für Edmond Tapsoba und Bayer keinen positiven Effekt. Im Gegenteil.
Leverkusens Innenverteidiger als Ausnahme von der Regel
Seit dieser Saison hat Edmond Tapsoba einen etwas anderen Job zu erledigen. Verteidigte der Nationalspieler Burkina Fasos bislang vorwiegend links in der Leverkusener Dreierkette, so hat sich sein Arbeitsfeld in der aktuellen Spielzeit deutlich nach rechts verschoben. Da Linksfuß Piero Hincapie nicht erst seit dem Weggang von Odilon Kossounou (per Leihe zu Atalanta Bergamo) zum unumstrittenen Stammspieler aufgestiegen ist, hat Tapsoba die Seite gewechselt.
In sechs seiner sieben Einsätze nahm der spielstarke Innenverteidiger die rechte Position im Defensivzentrum ein. Allerdings hatte dies nicht den Effekt, den man sich dadurch eigentlich bei einem Abwehrspieler erwarten könnte, der von der verkehrten auf die richtige Seite wechselt. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Tapsoba, der wahrscheinlich beste Spieleröffner in der Bundesliga, kann seine feinen, flach gespielten Steilpässe durch die gegnerischen Linien nicht in der Häufigkeit und mit der Präzision an den eigenen Mann bringen, wie man es vom 25-Jährigen gewohnt ist.
Dieses Phänomen der verkehrten Welt ist relativ einfach zu erklären: So ist es eigentlich ein Problem, wenn eine Mannschaft nicht über einen Linksfuß unter seinen Innenverteidigern verfügt. Denn dann muss ein Rechtsfuß den Job übernehmen. Was nicht ohne ist. Erschwert sich doch dadurch für den seitenverkehrt eingesetzten Abwehrspieler die Spieleröffnung. Weil die Winkel ungünstig werden beim Passspiel mit dem rechten Fuß auf die linke Seite.
Tapsoba hat aus dem Nachteil eine Stärke entwickelt
Doch Tapsoba hat als linker Innenverteidiger aus der Not eine Tugend gemacht und dadurch eine eigene Stärke entwickelt. So spielt der Rechtsfuß aus dem halblinken Feld die Bälle mit Vorliebe nicht nach links, sondern durchs Zentrum. Fast schnurgerade mit der Innenseite durch eine, manchmal sogar durch zwei Defensivlinien des Gegners. Pässe, die dem Leverkusener Auftritt mit einem Mal eine völlig neue Dynamik geben, eine neue Spielsituation schaffen.
Tapsoba weiß den Vorteil als Rechtsfuß auf der linken Innenverteidigerposition, der für viele Abwehrspieler einen Nachteil darstellt, zu schätzen. Weil es seiner offensiven und durchaus risikobewussten Spielanlage entgegenkommt. „Ich habe gerne das ganze Feld vor mir. Und wenn du links den Ball mit rechts kontrollierst, ist das so“, erklärt der mit einer Bärenruhe ausgestattete Profi.
„Ich bin es gewohnt, links zu spielen.“ (Edmond Tapsoba)
In der Vorbereitung, als Trainer Xabi Alonso ihn auch im Abwehrzentrum testete, formulierte Tapsoba keine Präferenz bezüglich seines Einsatzbereichs. „Ich kann alle drei Positionen spielen“, sagte der 1,92-Meter-Hüne, „aber ich bin es gewohnt, links zu spielen.“ Was ebenso dazu beitragen mag, dass die aktuellen Statistiken klar dafür sprechen, dass Tapsoba links für das Leverkusener Spiel wertvoller ist als rechts.
So brachte Tapsoba in der Vorsaison, wenn er links in der Dreierkette spielte, 84 Prozent seiner langen Pässe aus der eigenen in die gegnerische Hälfte an den Mann; in den sechs Einsätzen 2024/25 auf der rechten Position waren es nur 48 Prozent. Auch im Meisterjahr lag rechts seine Erfolgsquote nur bei 70 Prozent. Bei seinem einzigen Einsatz als linker Innenverteidiger beim 2:2 gegen Kiel glückten ihm 77 Prozent dieser Zuspiele. Zu Beginn des Leverkusener Spielaufbaus bzw. kurz nach Ballgewinn erreicht Tapsoba also als rechter Innenverteidiger nicht annähernd den Effekt wie als linker.
Links in der Dreierkette sind Tapsobas Pass-Werte viel besser
Betrachtet man alle langen Pässe, ergibt sich zwischen links (54 % in der Vorsaison) und rechts (33 % in der laufenden Spielzeit) eine ebenso deutliche Diskrepanz. Statt mehr als jeder zweite lange Pass von links, findet so nur jeder dritte von rechts seinen Adressaten. In der Double-Spielzeit waren es aus der rechten Position zumindest noch 45 Prozent gewesen. Gegen Kiel kam Tapsoba von seiner Idealposition links auf eine makellose Quote bei den langen Pässen von 100 Prozent.
Und auch, wenn man die Pässe in der gegnerischen Hälfte betrachtet, also in der Phase, wenn Bayer mit der gesamten Mannschaft das Spiel bereits in die gegnerische Hälfte verlagert hat, sprechen die Zahlen eine deutliche Sprache: Statt wie im Vorjahr links mit 90 Prozent erreicht Tapsoba in dieser Spielzeit rechts nur eine Passquote von 76 Prozent. In der Vorsaison lag sein Erfolgsanteil rechts auch nur bei 83 Prozent. Gegen Kiel als rechter Innenverteidiger hingegen fanden 95 Prozent seiner Zuspiele in der Angriffshälfte ihr Ziel.
Mukiele stellt rechts bislang keine echte Alternative dar
Fazit: Egal, in welcher Spielphase, erweist sich Tapsoba als linker Innenverteidiger als viel prägenderer Faktor für das Leverkusener Aufbauspiel. Dennoch dürfte dieser wohl nicht allzu oft auf seiner Idealposition zum Einsatz kommen.
Müsste dann doch Hincapie dort weichen. Doch der Ecuadorianer gehört in dieser Saison bislang eindeutig zu den drei besten Leverkusener Innenverteidigern, so dass kein Weg an einem Startelfplatz für den Linksfuß vorbeiführt. Zumal Nordi Mukiele, die einzige echte dauerhafte Option für den Job rechts in der Dreierkette, bislang für Xabi Alonso nicht wirklich eine gleichwertige Alternative für die Anfangsformation darstellt und damit auch nicht als Tapsoba-Ersatz.